Tourdatum: 29.-31. Juli 2016
Unser ursprünglicher Plan war, Monte Disgrazia erst nach einer Nord-Süd-Überquerung der Bergeller Alpen zu besteigen. Zu wunderschön und vielfältig ist diese Gebirgsgruppe und zu imposant die Nordseite des M. Disgrazia als dass man diesen wunderschönen Berg in einer hastigen Aktion und vom Süden kommend abhakt. Die Eckpunkte dieser Durchquerung wären Maloja (Talort) – Forno Hütte – Vadrec del Forno – Passo Sissone – Monte Sissone – Rifugio Ponti (Stützpunkt für die Besteigung des M. Disgrazia) gewesen. Zwar bis zur Forno Hütte haben wir es schon geschafft und wir wären von dort gerne zumindest bis zu Monte Sissone weitergegangen. Aber das extrem labile Wetter im ganzen Juli war auch in der ersten Hälfte unseres Urlaubs nicht auf unserer Seite und hat nicht einmal für diese Strecke gereicht. Wir hatten fast täglich einige sonnige Stunden aber für die ganze Überquerung, die ca. 10 Stunden dauert, über einen spaltenreichen und zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeaperten Gletscher (Forno) führt und im Abstieg von Monte Sissone mit dem Schwierigkeitsgrad II kokettiert, all das mit einem schweren Tourenrucksack, für die ganze Überquerung also, war absolut stabiles Wetter unabdingbare Voraussetzung.
Von der Forno Hütte sind wir daher wieder zurück die 10 km nach Maloja abgestiegen (beim Regen) und von dort nach Sondrio gefahren, wo wir zwei Tage verhaart und die Wetterprognose 10-20 mal am Tag gelesen haben, wartend dass der Tag endlich kommt wo wir nach Cataeggio, dem Talort von M. Disgrazia, fahren können. Erst am 29. Juli war es so weit und wir konnten die 40km dorthin fahren und dann nach Preda Rossa, wo wir unseren Bergführer, Markus, mit dem wir bereits vor zwei Jahren, den Ortler gemacht hatten, getroffen haben.
Bis nach Preda Rossa kann man inzwischen mit dem Auto fahren. Die Straßengebühr für diese Strecke entrichtet man an einem Automat vor dem Hotel Rustichella in der Ortschaft Filorera. Da es keine Schilder gibt (oder wir haben sie übersehen), wie man nach Preda Rossa kommt, empfiehlt sich den entsprechenden Ausschnitt aus der topographischen Karte von Schweiz Mobil mitzunehmen.
Die Kletterei (fast 300 Hm) am Monte Digrazia macht wirklich Spaß, denn der Fels ist sehr fest. Auch hatten wir Glück gehabt mit den Verhältnissen. Zwar es war kalt und windig, aber der Grat war schnee- und eisfrei. Spezielle Sicherungsmöglichkeiten gibt es nicht. Meistens hat man mit Stellen I und II zu tun, beim Bronzenen Pferd gibt es eine kurze Stelle III. Aber fast immer ist die Kletterei ausgesetzt, zwei luftige Stellen wo wir vom Grat einmal links, einmal rechts in die Flanken ausweichen mussten, haben sich besonders in meine Erinnerung eingeprägt. Ich hätte mich deshalb in dieser Gelände ohne Bergführer nicht getraut, zumal wir seit Sept 14 keine Hochtouren mehr gemacht hatten (zwar habe ich 2015 bis im 7. Schwangerschaftsmonat Bergtouren – in Silvretta, Mieminger Kette und Karwendel gemacht, aber halt keine Hochtouren).
Der Weg von der Hütte bis zur Sella di Pioda bedarf keiner besonderen Beschreibung. Von der Hütte über Blockgelände den Markierungen folgend bis man den Moränenrücken erreicht. Auf dem Moränenrücken ohne Höhengewinn bis sich dieser im Gletscher verliert. Dann, je nach Schneeverhältnissen, Jahreszeit und eigenem Ermessen, hier oder weiter oben anseilen und Steigeisen anziehen. Der Gletscher bis oben zu Sella di Pioda ist steil und wird in mehreren Spitzkehren mühsam zurückgelegt. Aber einmal dort oben steht man vor einer grandiosen Landschaft, die einen bis zum Gipfel begleitet.
Nach dem Abstieg von Digrazia sind wir, anders als ursprünglich geplant direkt ins Tal abgestiegen. Matthias wollte nicht noch eine Nacht auf Rifugio Ponti verbringen und ich sah auch nicht die Möglichkeit eine schöne Nachtaufnahme zu machen – wie gesagt, auf der Südseite ist die Landschaft am M. Disgrazia weniger spektakulär.Die Wetterprognose versprach für diesen Tag stabiles, sonniges Wetter, erst gegen Mittag des nächsten Tages war mit der nächsten Störung zu rechnen. Trotzdem sammelten sich Gewitterwolken schon gegen 18.00 Uhr und wir haben uns sehr beeilt um den Parkplatz an Preda Rossa (übrigens ein toller Platz zu zelten) zu erreichen.