Tourdatum: 12. August 2017
Partkplatz: Malga Vallina d’Amola (1.911m)
Stützpunkt: Rifugio Segantini (2.373m)
Die Tour zur Cima Presanella (3.558m) ist eine der lediglich zwei Touren, die uns in diesem Sommer gelungen sind. Eine Mischung aus labilem Wetter und schlechter Kondition (meinerseits), ja sogar einer gewissen Lustlosigkeit, haben dazu geführt, dass wir die anderen Touren abgebrochen haben und für die restliche Zeit im Auto saßen und dem guten Wetter hinterher liefen.
In dem Buch “Hochtouren Ostalpen” (Schmitt/Pusch, Bergverlag Rother 2013) wird der Südostanstieg zur Cima Presanella als Hochtour bezeichnet. Ich frage mich wieso das, denn die Gletscher vor und nach der Bocchetta di Monte Nero sind fast verschwunden und aus den Kletterstellen sind Klettersteige geworden. Zwar sind die Drahtseile an einigen Stellen nützlich, aber wie beim Mainzer Höhenweg, hat man auch hier mehr getan als tatsächlich notwendig war.
Ein Eispickel ist vielleicht früher in der Saison nützlich, wenn das ca. 4o Grad steile Firnfeld vor der Bocchetta di Monte Nero noch nicht komplett ausgeapert ist. Wir ließen unsere auf der Hütte. Im Zweifel soll man den Hüttenwirt Egidio fragen, er spricht Deutsch und ist sehr freundlich. Dafür hatten wir Steigeisen dabei und ich habe sie auch angezogen (Matthias nicht) allerdings erst im Abstieg, als die dünne Schicht Neuschnee auf dem Vadretta di Monte Nero komplett verschmolzen war. Darunter lag aber blanker Eis, dermaßen von Schutt bedeckt, dass die Querung des Firnfeldes (ca. 40m) selbst mit Steigeisen eine unangenehme Angelegenheit war. Seil braucht man nicht. Zwar es gibt einige Abseilstellen aber der Aufwand lohnt sich nicht und man kann sie gut abklettern. Es ist ja sowieso alles als Klettersteig gesichert, also lieber Klettersteigset und Helm einpacken.
Rifugio Segantini ist eine der angenehmsten Hütten, die wir in den Alpen erlebt haben. Das Essen lecker, die Zimmer sehr gemütlich, das Hüttenteam ausgezeichnete Gastgeber. Der Aufstieg zur Hütte dauert ca. 1,25h. Talort ist Sant’ Antonio di Mavignola, 3-4 km nach Pinzolo. Kurz vor der Einfahrt in die Ortschaft biegt man nach links Richtung Val Nambrone (der Schild auf der linken Seite der Straße ist nicht zu übersehen). Ab hier bis zum Parkplatz am Malga Vallina d’Amola folgen abenteuerliche 14km auf einer extrem engen Straße, und unter Umständen mit sehr viel Gegenverkehr. Einmal mussten sowohl wir als auch aus das aus der entgegengesetzten Richtung kommende Auto den Seitenspiegel zuklappen. Auch können die Parkplätze oben schnell knapp werden. Wegen der angekündigten Kaltfront war nicht viel los als wir ankamen. Anders bei der Rückfahrt, zwei Tage später, als es schien, dass ganz Norditalien dort unterwegs war.
Der Aufstieg zur Hütte ist sehr angenehm. Wir wurden von dunklen Gewitterwolken über Brenta getrieben und mussten uns beeilen. Kurz nach unserer Ankunft wurde die Hütte – an diesem Tag fast leer – von Wolken umhüllt, aus denen Graupen fiel. Binnen Minuten war alles weiß.
Vor der Tour schlief ich ausnahmsweise gut, die Lösung kam aus einer unerwarteten Richtung: Bulgakovs “Meister und Margarita” als Hörspiel, toll gemacht und dem Original treu. Am nächsten Morgen nach einem reichhaltigen Frühstück (nicht zu vergleichen mit dem was man auf einer Schweizer Hütte bekommt) um 5.00 Uhr AM machten wir uns auf dem Weg zu Cima Presanella.
Die Cima Presanella ist technisch nicht schwierig, landschaftlich sehr spektakulär, aber konditionell eher anstrengend. Die weiten Strecken mit Felsplatten vor und nach der Bocchetta di Monte Nero sind mühsam und unübersichtlich. Übersieht man die spärlichen Markierungen geschieht nichts Schlimmes – die Gelände ist tolerant in dieser Sicht – aber man verliert Zeit und Energie. Dies ist uns im Aufstieg vor der Bocchetta passiert. Die Markierungen waren vom Schnee bedeckt, die Steinmännchen haben wir einfach übersehen und einen viel zu großen Bogen nach links gemacht, wo die Felsbrocken größer waren und den Fortschritt mühsamer machten. Auch nach der Bocchetta habe ich ziemlich ungeschickt nach dem einfachsten Weg gesucht und dabei nur Zeit verloren (Matthias der Langbeinige und in seiner Kindheit ein verkappter Fussballspieler war ziemlich weit voraus). Die Kletterstellen wurden, wie schon erwähnt, zu Klettersteigen (A/B) gemacht und verlangen von den Anwärtern der Cima Presanella nicht mehr viel ab.
Da wir an diesem Tag noch langsamer waren als sonst – schuld daran bin nur ich – haben wir bis zum Biwak 6,5 Stunden gebraucht. Angegeben bis zum Gipfel sind fünf. Zwar bestand keinen Grund zur Eile, denn das Wetter war stabil. Trotzdem habe ich mir für die letzte Strecke bis zum Gipfel (ebenfalls Blockgelände, stellenweise I) nur noch eine halbe Stunde gegeben. Und da ich nach 35 Minuten immer noch ca. 5 Minuten bis zum Gifpel gebraucht hätte, habe ich auf der Stelle meinen Aufstieg beendet und mich auf einen Stein hingesetzt (Matthias war schon längst oben).